Foto: Jan Lahitte
Das Modellprojekt FSJ_digital ist ein bundesweit angelegtes Fort- und Weiterbildungsprogramm, das sich seit 2015 den zentralen Themen der modernen Gesellschaft widmet und diese aufarbeitet. Gemeint sind damit die Herausforderungen, die sich durch moderne Technologien für Gesellschaft, Wirtschaft, Bildung und Politik ergeben und unter dem Begriff der Digitalisierung zusammengefasst werden.
Die Auslagerung nahezu aller Lebensbereiche ins Internet und die Etablierung von digitaler Kommunikation haben das Leben im 21. Jahrhundert unwiderruflich verändert. Begrifflichkeiten wie zum Beispiel soziale Netzwerke, augmented reality (digital erweiterte Realität), 3D-Druck, Big Data, Cloud Computing, e-Sports und künstliche Intelligenz (KI) sind als Themenbereiche omnipräsent und gleichzeitig in ihrer Komplexität kaum zu überblicken. Im Fachdiskurs werden diese als Kategorien aufgeteilt und geordnet, die wiederum mit Zahlen versehen werden, wie dies bei Softwareversionen der Fall ist. Im Jahr 2003 wurde der Begriff Web 2.0 geprägt, um auf die Erweiterung des Internets und dessen veränderte Wahrnehmung und Nutzung hinzuweisen. Heute wird mit Begrifflichkeiten wie Wirtschaft 4.0, Mittelstand 4.0, Bildung 4.0 oder gar Wald 4.0 hantiert. Was sich darunter eigentlich verbirgt ist ähnlich diffus wie die kurzweiligen technologischen Neuerungen, die fast täglich neu entwickelt werden. Diese Problematik ist aber fast so alt wie die wissenschaftliche Auseinandersetzung im Kontext der Medienpädagogik, die heute unter der Begrifflichkeit Medienbildung neu definiert worden ist. Die rasante technologische Entwicklung verhindert es, dass sich konkret mit einem Thema auseinander gesetzt werden kann. Besonders problematisch ist dies für die Bildung, da konkrete didaktische Lernkonzepte im Moment der Publikation schon wieder veraltet sind. Somit bleibt nur die den Schritt auf die Metaebene zu wagen, um Prozesse zu beschrieben. Besonders problematisch ist dies für die Bildung, da konkrete Handlungsempfehlungen und –konzepte auf der Strecke bleiben und von der Kita bis hin zur Erwachsenenbildung Medienbildung nicht im Bildungsalltag angekommen ist. In der Lehrerausbildung werden derzeit erste Projekte erprobt, die Medienbildung in den Kurrikula verankern soll. Gleichzeitig bedeutet das, dass noch weitere Jahrgänge in der Schule nicht auf diese neuen gesellschaftlichen Herausforderungen vorbereitet werden. Für eine Industrienation wie Deutschland kann dieses Versäumnis fatale Konsequenzen haben, die sich bereits heute im Fachkräftemangel verdeutlichen.
Foto: Jan Lahitte
Bei eben diesem Punkt knüpft das FSJ_digital an, indem es junge Menschen fördert die sich freiwillig und sozial engagieren. Die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen und sich einzubringen bietet die perfekte Grundlage, eben dort Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten. Dafür spricht auch das lineare Wachstum der Bewerbungszahlen seit Projekteinführung, die im November 2017 durch eine Jury auf 108 Freiwillige und 96 Projekte begrenzt werden musste, um das Förderbudget nicht zu übersteigen. Das Selbstverständnis im Umgang mit neuen Medien ermöglicht den Freiwilligen neue Ansätze in den Einsatzstellen anzuregen, die aus diversen Gründen wie Unsicherheit, Unwissenheit und starren Unternehmensstrukturen dort sonst nicht umgesetzt werden könnten, ergab die vom Kulturbüro Rheinland-Pfalz in Auftrag gegebene Masterthesis von Frau Maria Dressler 2016. Diese neuen Konzepte werden innerhalb der Einsatzstellen in Projektform erprobt und am Ende des Jahres evaluiert sowie dokumentiert. Für die Umsetzung der Projekte konnte im Antrag eine Projektförderung von bis zu 1.000 Euro beantragt werden, die häufig, wenn auch nicht immer, Grundvoraussetzung für die Umsetzung war, da die Einsatzstellen selten technisch gut ausgestattet sind. Besonders hervorgehoben wurde seitens der Einsatzstellen, dass das Repertoire selbiger durch das FSJ_digital erweitert und verbessert wurde, was in vielen Fällen besonders den Nutzern und Nutzerinnen zu Gute kam. Davon überzeugten sich zum Auftakt der neuen Bewerbungsphase für das FSJ_digital 2018, im September 2017, auch die Bundesfamilienministerin Dr. Katarina Barley gemeinsam mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Die sich die neue Senior*innenredaktion des Offenen Kanal „OK54“ in Trier, die als FSJ_digital-Projekt entstanden ist.
Foto: Jan Lahitte
Zudem nehmen die Freiwilligen an einem zusätzlichen fünftägigen Bildungsseminar teil, dass sich inhaltlich auf die Projektthemen der Einreichungen stützt. Die Workshopthemen umfassten 2017 Medienpädagogik, Journalismus, Medienrecht, Online Marketing, Open Source Apps, Stop-Motion Technik, Foto sowie Fotobearbeitung, Film und –schnitt, Homepage, Blog, Layout, Creative Gaming, Audio und –bearbeitung, Coding von Apps, Zeit- und Ressourcenmanagement, Tech Invention Literacy und Social Media Marketing. Projektbegleitend werden Einsatzelle sowie die Freiwilligen durch fachliche Beratung und Coaching in der Umsetzungsphase unterstützt. Die Auswertung und Präsentation der Projektergebnisse fand 2017 im Rahmen des FSJ_digital Fachtages „Mensch – Medien – Gesellschaft: Möglichkeiten oder Wege für eine chancengleiche Teilhabe in einer mediatisierten Gesellschaft“ statt. Gleichzeitig war dieser als ein Fachtag für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus Sozial-, Jugend-, Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie Vereinen und für alle Interessierten geöffnet und wurde von Prof. Dr. Karsten D. Wolf von der Universität Bremen mit seinem einführenden Vortrag „Digitale Bildung: Wie kann eine chancengleiche Teilhabe in einer mediatisierten Gesellschaft gelingen?“ und am Nachmittag durch ein Vortrag von Dr. Fred Schell zu dem Thema „Subjekt- und handlungsorientierte Medienpädagogik – Grundlagen, Zielsetzungen und Prinzipien“ unterstützt. Die Projektmesse bildete den Mittelteil der Veranstaltung, auf der die Besucher einen umfangreichen Einblick in die Projektideen und -ergebnisse und im persönlichen Austausch mit den Freiwilligen noch die ein oder andere Idee oder Anregung mitnehmen konnten.
Das FSJ_digital ist demnach ein niedrigschwelliges Projekt, das sich die Medienbildung auf die Fahnen geschrieben hat und mit verhältnismäßig geringem Kostenaufwand eine bundesweite Reichweite etabliert hat. In drei Jahren wurden 235 Freiwillige und ebenso vielen Einsatzstellen zu Multiplikatoren ausgebildet, so dass unzählige Nutzer und Nutzerinnen vom FSJ_digital profitiert haben. Damit zeigt das Modellprojekt, dass funktionale Medienbildung flächendeckend und sinnvoll etabliert kann.
Text: Jahresbericht Kulturbüro Rheinland-Pfalz 2017